Die Presseinformation des DEUVET:
Der Entwurf der EU-Chemikalienverordnung 1907/2006 REACH behandelt unter dem Anhang XIV die Zulassungspflicht für Blei. Der DEUVET Bundesverband Oldtimer-Youngtimer e.V. weist auf die Gefahren für das technische Kulturerbe hin und unterstützt die Bitte der Oldtimerszene um eine Ausnahmeregelung für historische Straßenfahrzeuge.
Kandel, 28. April 2022
Der Oldtimerspezialist Dipl-Ing. (FH) Peter Diehl hat einen umfangreichen Textbaustein für Einsprüche bei ECHA und EU formuliert, den der DEUVET gerne verbreitet.
Der Textbaustein im Original:
Eine generelle Zulassungspflicht für Blei, bezogen auf – Zitat aus dem geplanten Verordnungstext – „Herstellung, Lagerung, Ausstellung und Verwendung in allen seinen Erscheinungsformen“, bedroht und schädigt das technische Kulturerbe der gesamten Menschheit. Denn Mobilität ist seit Jahrhunderten ein globales Bedürfnis, welches sich in Straßen-, Schienen-, Wasser- und Luftfahrzeugen ausdrückt. In allen diesen Fahrzeugen ist bis heute Blei enthalten.
Betrachtet man den Bereich der historischen Straßenfahrzeuge separat, würde eine generelle Zulassungspflicht vor allem kleine Organisationseinheiten wie Oldtimer- und Heimatmuseen sowie private Sammler und Besitzer treffen. Sie alle wären bürokratisch und finanziell überfordert, müssten sie Genehmigungen für ihr Tun einholen. Zumal Blei in jedem Fahrzeug mehrfach und in mehreren Funktionen verwendet wurde.
Darüber hinaus beeinträchtigt eine generelle Zulassungspflicht für Blei das gesamte Kraftfahrzeughandwerk der Europäischen Union und dessen Lieferanten massiv. Letztere sind meist ebenfalls in der EU ansässig. Beide Bereiche – Kraftfahrzeughandwerk und Lieferanten – bestehen zu großen Teilen aus kleinen und mittleren Unternehmen (KMU).
Im Kraftfahrzeughandwerk wird Blei heute vor allem zur historisch korrekten Instandsetzung und Restaurierung von Karosserien, Kühlsystemen sowie elektrischen und elektronischen Anlagen eingesetzt. Konkrete Beeinträchtigungen werden sich zum einen aus dem Verschwinden vieler dieser KMU ergeben, die sich den bürokratischen und finanziellen Aufwand der Zulassung von Blei nicht leisten können und deshalb die betreffenden Geschäftsfelder oder die gesamte Geschäftstätigkeit aufgeben.
Zum anderen werden sich durch die Substitution von Blei durch weit weniger geeignete Ersatzstoffe folgende handwerkliche und historische Beeinträchtigungen ergeben:
* Die Instandsetzung von Schäden an Karosserien wird mit qualitativen Mängeln behaftet sein. Begründen lässt sich das mit der schwierigen Verarbeitung von bleifreiem Schwemmzinn. Das Temperaturfenster ist deutlich kleiner und das Temperaturniveau liegt signifikant höher als bei der Verarbeitung von bleihaltigem Schwemmzinn. Eine Restaurierung mit historisch korrektem Material und ebensolcher Arbeitstechnik wäre nicht mehr möglich.
* Qualitative Mängel werden auch bei der Instandsetzung von Kühlsystemen auftreten. Die Begründung ist mit dem vorherigen Punkt identisch.
* Nicht nur Mängel, sondern Schäden würden in elektrischen und elektronischen Anlagen entstehen. Denn über die negativen Auswirkungen des kleineren Temperaturfensters und des höheren Temperaturniveaus hinaus besteht die Gefahr fehlerhafter Reparaturlötstellen, sogenannter kalter Lötstellen. Zum einen, weil bleifreie und bleihaltige Lotmaterialien nicht kompatibel sind, also keine Verbindung miteinander eingehen. Zum anderen, weil bleifreie Lote die optische Qualitätskontrolle von Lötstellen unmöglich machen. Denn die stets matte Oberfläche einer mit bleifreiem Lot erstellten Lötstelle ist nicht von einer fehlerhaften Lötstelle (kalten Lötstelle) unterscheidbar. Mit bleihaltigem Lot ausgeführte, gelungene Lötstellen hingegen glänzen silbrig.
Kurzum: Die Substitution von Blei würde die Reparatur von Fahrzeugen generell massiv erschweren und die Restaurierung historischer Fahrzeuge unmöglich machen. Auch das bedeutet Bedrohung und Beschädigung des technischen Kulturerbes. Und zwar tatsächlich der gesamten Menschheit, denn die Sammlung von und die Beschäftigung mit historischen Fahrzeugen macht für europäische Sammler und Handwerker an den Außengrenzen der EU nicht halt.
Übrigens werden auch heute nahezu alle Neufahrzeuge, unabhängig von ihrem Antriebskonzept, mit 12-Volt-Batterien ausgeliefert, die auf dem Blei-Säure-Prinzip beruhen. Das betrifft also auch batterie- und wasserstoffelektrisch angetriebene Fahrzeuge sowie Hybridfahrzeuge, die allesamt auch eine 12-Volt-Spannungsversorgung benötigen. Für Batteriehersteller, die Teil großer Konzerne sind, ist es sicher unproblematisch, künftigen Blei-bezogenen Auflagen in bürokratischer und finanzieller Hinsicht gerecht zu werden. KMU hingegen können daran scheitern. Doch sind es gerade kleine Unternehmen, die historisch korrekte 6-Volt- und 12-Volt-Starterbatterien für Oldtimer herstellen und vertreiben.
Um diese Mängel, Schäden und Risiken auszuschließen, enthält ein anderes EU-weit gültiges Regelwerk bereits eine Ausnahmeregelung für historische Fahrzeuge, aber auch für Fahrzeuge deutlich jünger als 30 Jahre: die EU- Altfahrzeugrichtlinie 2000/53. Konkret ist es der einleitende Text von Anhang II, der generell alle Ersatzteile – als solche gelten auch Reparaturmaterialien –, die für vor dem 1. Juli 2003 in Verkehr gebrachte Fahrzeuge bestimmt sind, ausnimmt. Damit wird das in Artikel 4, Absatz 2, Buchstabe a der Richtlinie formulierte und seit 1. Juli 2003 bestehende Verbot von Blei, Quecksilber, Cadmium und sechswertigem Chrom für diese Fahrzeuge ausgehebelt. Ausnahmen von dieser Ausnahme stellen lediglich Radwuchtgewichte, Kohlebürsten von E-Motoren und Bremsbeläge dar.
Darüber hinaus enthält Anhang II der EU-Altfahrzeugrichtlinie mit den Punkten 8a und 8b zwei konkrete Ausnahmen für bleihaltiges Lötzinn:
* Punkt 8a betrifft Lot auf Leiterplatten, beispielsweise in Steuergeräten, in vor dem 1. Januar 2016 typgenehmigten Fahrzeugen
* Punkt 8b betrifft Lot in Kabelbäumen und anderen Bauteilen der elektrischen Anlage in vor dem 1. Januar 2011 typgenehmigten Fahrzeugen
Denkbar wäre, analog zur EU-Altfahrzeugrichtlinie auch eine Ausnahme für historische Fahrzeuge in die EU-Chemikalienverordnung 1907/2006 REACH aufzunehmen – für den konkreten Fall Blei ebenso wie generell auch für andere Stoffe. In diesem Zusammenhang: Wenn sich Regelwerke der EU nicht widersprechen, ist das für alle früher oder später Beteiligten bis hin zur Rechtsprechung hilfreich.
Auch ein anderes Regelwerk enthält eine Ausnahme für historische Fahrzeuge und kann hier als Beispiel dienen: die deutsche Lösemittelhaltige- Farben-und-Lack-Verordnung (ChemVOCFarbV). Die Ausnahme ist in Paragraph 3, Absatz 3b formuliert: „Abweichend von Absatz 1 dürfen gebrauchsfertige Produkte, die die Grenzwerte des Anhangs II für flüchtige organische Verbindungen nicht einhalten, in den Verkehr gebracht werden zum Zwecke der […] Restaurierung und Unterhaltung von […] Oldtimer- Fahrzeugen, die als historisch und kulturell besonders wertvoll eingestuft sind.“ Die Formulierung „historisch und kulturell besonders wertvoll“ findet sich bereits in der EU-Richtlinie 2004/42 (Decopaint-Richtlinie), die der deutschen ChemVOCFarbV zugrunde liegt.
Übrigens ist ein Großteil der Oldtimer längst als technisches Kulturgut und somit als historisch und kulturell besonders wertvoll anerkannt. In Deutschland wird das durch die Vergabe des sogenannten H-Kennzeichens deutlich, wobei das H für historisch steht. Vergleichbare Vorgehensweisen existieren auch in anderen Ländern der EU.
Zu den Themen Gesundheits- und Umweltschutz. Die Toxizität von Blei ist seit Jahrhunderten bekannt. Gesundheitsrisiken werden von den Mitarbeitern in Werkstätten, Autohäusern und Betrieben der Zulieferindustrie professionell und erfolgreich gehandhabt. Unter anderem die Verwendung von Absauganlagen und persönlichen Schutzausrüstungen (PSA) sorgt dafür, dass die vielen Hunderttausend Menschen, die im europäischen Kraftfahrzeughandwerk und bei Lieferanten arbeiten, dies sicher sowie mit minimalem und kontrolliertem Risiko tun. Für verschlissene bleihaltige Fahrzeugteile und Rückstände der Verarbeitung von Blei bestehen bewährte Recyclingkreisläufe.
Auch Endverbraucher – hier: private Oldtimer- und Heimatmuseen sowie Sammler und Besitzer historischer Fahrzeuge – sind sich von Blei ausgehender Gefahren bewusst und setzen sich diesen nicht aus. Zumal das Schwermetall auch an historischen Fahrzeugen nicht offen zutage tritt.
Soweit das Statement.
Über den DEUVET: Gegründet als „Arbeitsgemeinschaft der deutschen Veteranen- und Markenclubs e.V.“ im Jahre 1976 auf der VETERAMA in Mannheim. Für die Deutsche Veteranenfahrzeuggemeinschaft wurde das Kürzel DEUVET gewählt und als Bundesverband Oldtimer-Youngtimer e.V. beim Deutschen Bundestag in Berlin akkreditiert. Durch permanente Arbeit hat der DEUVET die gesetzlichen Regeln für Oldtimer-Fahrzeuge und 1997 auch das H-Kennzeichen mitbestimmt.
Nach Beginn der Arbeit des Parlamentskreis Automobiles Kulturgut in Berlin im Jahr 2009 ist der DEUVET regelmäßiger Teilnehmer und ein wesentlicher Partner für Projekte und Umsetzung der aktuellen Aufgaben. Mit Gründung der Historic Vehicle Group am EU Parlament in Brüssel ist der DEUVET dort ebenfalls für die Interessen der Oldtimerfahrer tätig.
Die Geschichte des DEUVET und der deutschen Oldtimer-Szene wurde 2017 in einem Buch veröffentlicht. Titel: „Jetzt fahr‘ erst mal…“. Der DEUVET gilt als die einzige demokratisch gewählte Interessen-Vertretung in Bund, Ländern und der EU. Er ist kompetenter Gesprächspartner für Politik, Wirtschaft und vielen Fachkreisen u.a. für Versicherungen, Oldtimer-Veranstaltungen sowie juristischen Fragen zum historischen Fahrzeug.
Rückfragen bitte an:
Jan Hennen
DEUVET Bundesverband Oldtimer-Youngtimer e.V. Vizepräsident für Kommunikation
kommunikation@deuvet.de
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